Die
Ursprünge der Stadt Priene liegen im Dunkel der
Geschichte. Die Stadt wurde gegen Mitte des 4.
Jahrhunderts v. Chr. an anderer Stelle neu gegründet.
Diese Maßnahme könnte von dem karischen Herrscher
Maussollos oder den Athenern veranlasst worden sein. Die
genaue Lage der ersten Ansiedlung der Priener ist nicht
bekannt. Bekannt ist jedoch die bewegte Geschichte
dieser Siedlung.
Die Agora, der öffentliche
Markt- und Versammlungsplatz, lag etwa in der Mitte der
Stadt. Sie nahm in Ost-West-Richtung die Breite zweier
Insulae des Stadtrasters und in Nord-Süd-Richtung die
Länge von anderthalb Insulae ein; sie maß damit 82 × 88
m. Der südliche Teil des Platzes war auf drei Seiten von
einer umlaufenden Säulenhalle dorischer Ordnung umgeben;
den jenseits der Hauptstraße gelegenen Nordrand bildete
zuerst eine ähnliche Säulenhalle.
Sie wurde in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. durch
einen zweischiffigen Neubau ersetzt, Heilige Halle
genannt, die sich noch eine Insulabreite nach Osten
fortsetzte und über 116 m lang war. An der Säulenfront
dorischer Ordnung sind bemerkenswerterweise einzelne
Merkmale der ionischen Ordnung aufgenommen. Die Westwand
dieser Halle wurde innen im Laufe der Zeit mit
öffentlichen Urkunden beschrieben. In der Mitte des
Platzes befindet sich ein Fundament, auf dem früher
vielleicht ein Altar des Hermes stand.
Von den über zwanzig zum Teil sehr gut
erhaltenen Theatern Westkleinasiens hat allein dieses die
hellenistische Form bewahrt. Alle anderen wurden in römischer Zeit
umgebaut. Eine Besonderheit sind die fünf Marmorsessel rings um die
Orchestra, die für Würdenträger und Ehrengäste bestimmt waren.
In der Hauptachse zwischen Bühnenhaus (Skene) und Zuschauerraum
steht ein Altar für den Gott Dionysos, aus dessen Kult das
Theaterspiel der Antike hervorging.
Gut erhalten sind das Proszenium (Proskenion) mit Halbsäulenpfeilern
und einem dorischen Gebälk sowie das Bühnenhaus. Zwischen den
Pfeilern wurden Tafeln mit aufgemalten Hintergründen aufgehängt –
die Vorläufer des späteren Bühnenbildes. Das Theater hatte eine
hervorragende Akustik und fasste mit 6500 Personen alle Bewohner der
Stadt.
Es wurde sowohl für Theateraufführungen als auch für
Bürgerversammlungen genutzt. Darauf deutet ein Stein mit einer
Halterung für eine Sanduhr hin, die die Redezeit begrenzte.
Priene gelangte mit dem Sieg der Römer
unter Gnaeus Manlius Vulso über die Seleukiden im Jahre
190 v. Chr. vorerst als freier selbständiger
Bundesgenosse in den Machtbereich Roms. Gegen 140 / 130
v. Chr. zerstörte eine Brandkatastrophe die im Westen
gelegenen Stadtviertel. Durch Anschwemmungen des
Großen Mäander schob sich die Küstenlinie mehr und mehr
hinaus, wodurch Priene mit seinem Hafen zusehends an
Bedeutung verlor. In der Neuzeit erregten die Ruinen von
Priene erstmals wieder 1673 das Interesse englischer
Geschäftsreisender. Des berühmten Athenatempels wegen
war Priene im 18. und 19. Jahrhundert ein Reiseziel auf
den Forschungsreisen der Society of Dilettanti nach
Ionien. Dabei legte 1868/69 Richard Popplewell Pullan
das Athenaheiligtum weitgehend frei. Die systematische
Ausgrabung großer Teile der Stadt begann 1895 durch den
Archäologen Carl Humann. Nach dessen Tod 1896 wurde das
Unternehmen von Theodor Wiegand und Hans Schrader
fortgeführt. Wenige Jahre später wurden die Ergebnisse
in einer ausführlichen Publikation vorgelegt. Im Jahre
1998 wurden die Grabungen unter der Leitung von Prof.
Dr. Wulf Raeck wiederaufgenommen. In regelmäßigen
Kampagnen werden vor allem die spätklassische und
hellenistische Stadtplanung und Wohnarchitektur von
Priene erforscht.
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